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ATRO – Chapter 1, section 11 (German)

11. Propagandaeinsätze in Deutschland, 1948-49

Und dann kam ich Ende ’47 von Island nach England zurück und dort mußte ich mich auch erst einmal lange Zeit durchkämpfen. Bis es Herrn Mukherji möglich war, mir etwas Geld zu schicken. Er war zu jener Zeit selbst in Schwierigkeiten. Er hatte nach dem Krieg keine Arbeit. Seine Vergangenheit fügte ihm unter Arbeitsgesichtspunkten eine Menge Schaden zu. In der Tat konnte er mir bis ’48 nichts schicken. Aber ich hatte schon eine Arbeit. Ich bekam eine Anstellung als Ankleiderin beim Tanzensemble von Ram Gopal.1 [1]Ich mußte mich um die Kostüme der Mädchen und solche Dinge kümmern. Ich wurde nicht schlecht bezahlt: fünf Pfund pro Woche in England, zehn Pfund pro Woche im Ausland. Ich kam nach Frankreich. Ich kam nach Norwegen. Ich kam nach Schweden. Wir blieben zweieinhalb Monate in Schweden und das dauerte bis Juni ’48.

Natürlich gefiel mir das Umfeld nicht sonderlich und damit meine ich nicht das Umfeld in Schweden. Ich meine das Umfeld im Ensemble. Der Inspizient, Herr Ben Topf, war Jude. Ein Jude, der während der Zugfahrt sagte, daß er in Deutschland die Speisekammern natürlich voll und die Waffenlager leer sehen wolle. Und dafür haßte ich ihn. Und auch der Impresario war Jude, Herr Braunschweig. Ein kleiner fetter Mann mit winzig kleinen Beinen, sehr kurzen Knochen. Er sah aus wie zwei Striche mit einem fetten Körper darauf. Er war sehr häßlich. Aber selbst wenn er nicht häßlich gewesen wäre, wäre er doch ein verdammter Jude geblieben.

In Schweden traf ich am 6. Juni 1948 jemand außergewöhnliches. Ich traf Sven Hedin.2 [2]Ich wollte ihn treffen. Ich wußte, daß er einer von unseren Leuten war. Aber sie sagten mir: „Sven Hedin trifft seit ’45 niemanden mehr. Er will niemanden sehen. Sie können es natürlich versuchen.“ Also schrieb ich ihm einen Brief und er sagte: „Ja, Sie können am Sonntag kommen. Sie können um zwei Uhr kommen.“ Ich kam um zwei Uhr dorthin und erzählte ihm: „Sehen Sie, wir gehen am 14. nach Deutschland.“ Ich hatte zwei oder drei Nächte damit verbracht, Flugblätter zu schreiben.3 [3]Ich hatte beabsichtigt, meinen gesamten Lohn in Schweden dafür auszugeben, für Schokolade, Sardinen, Butter, Zigaretten auszugeben, in jede Schachtel ein Flugblatt zu legen und sie dann aus den Fenstern des Nordexpreß zu werfen. Wir würden durch Deutschland kommen. „Und ich würde gern wissen ob wir Hoffnung haben können?“

Er sagte: „Warum sagen Sie: ‚Können wir Hoffnung haben?’ Haben Sie keine Hoffnung?“ Ich sagte: „Nun, ich mache dies ausschließlich als einen Akt des Trotzes, aber was soll man machen? Jene in Nürnberg, sie haben sie getötet.“ Sven Hedin sagte: „Haben Sie keine Angst. Deutschland hat mehr solcher Männer.“ Ich sagte: „Ja, aber wann werden sie kommen?“ „Sie werden zur rechten Zeit kommen.“ Und ich sagte zu ihm: „Was ist mit dem Führer? Ist er tot oder am Leben?“ Er sagte: „Ob er tot ist oder am Leben, er ist ewig. Für Sie ist das ohne Bedeutung.“ Ich sagte: „Ich werde ihn nie sehen, wenn er wirklich nicht mehr lebt.“ „Nun, selbst wenn Sie ihn sehen sollten, wo läge der Unterschied? Der Krieg ist so oder so verloren. Und seine Ideen sind so oder so wahr, auch mit einem verlorenen Krieg.“ Ich sagte: „Sie haben recht. Sie haben recht.“

Und mit dieser Art von Unterhaltung und der Ermutigung, die er mir zuteil werden ließ, sagte er: „Sie können die Flugblätter, wenn Sie wollen, in ganz Deutschland verteilen. Wenn Sie in Schwierigkeiten geraten…“ Ich sagte: „Das ist mir egal. Mir ist es egal, ob ich mein Leben in einem alliierten Konzentrationslager verbringen muß.“ „In diesem Fall machen Sie weiter.“ Ich fühlte meine Flügel, meine alten Flügel, wieder wachsen. Er bot mir Abendbrot an. Das hatte ich nie erwartet. „Es ist nun sieben Uhr, Sie können mit mir zu Abend essen.“ Ich sagte: „Ich muß um sieben Uhr im Theater sein. Es ist eine Abendvorstellung. Ich muß dort sein. Es ist meine Arbeit.“ Er sagte: „Gut.“ Also ging ich.

Die erste Person, die ich im Theater traf, war Ben Topf. Er schaute mich an und sagte: „Frau Mukherji, was ist denn mit Ihnen passiert?“ Ich sagte: „Nichts ist mit mir passiert.“ „Sie  sehen zwanzig Jahre jünger aus.“ Ich sagte: „Tue ich das?“ Ich sagte: „Ich habe einen großen Mann kennengelernt.“ „Was für einen großen Mann?“ Ich sagte: „Sven Hedin, den großen Erforscher Zentralasiens. Denjenigen, der den wahren Weg gefunden hat, an dem der Lop Nor und andere zentralasiatische Seen entlanggehen. Sie folgen derselben Route.“ Er sagte: „Und deswegen freuen Sie sich so darüber, diesen Mann kennengelernt zu haben?“ Und ich sagte: „Ja, deswegen. Ich interessiere mich für Archäologie und Erkundungen. Was denken Sie denn? Er glaubte mir natürlich nicht. Er fand es seltsam. Er hätte es nicht lange seltsam gefunden.

In der Nacht des 15. fuhren wir durch Deutschland. Wir waren in Flensburg und am 15. verließen wir Flensburg in der Nacht. Wir waren natürlich durch Dänemark gekommen. Ich sah die Ostsee im morgendlichen Sonnenschein. Ich sagte: „Es ist wohl das letzte Mal, daß ich so etwas schönes wie dieses  sehe, wenn sie mich in ein Lager stecken. Nun, das macht nichts, kein Stück.“ Und in Flensburg begann ich damit, das zu tun, was ich tun wollte, was ich in Gold in the Furnace beschreibe oder versucht habe zu beschreiben.

Ich stand am Fenster im Gang des Nordexpreß. Ich weigerte mich, irgend etwas zu essen. Ich weigerte mich, irgend etwas zu trinken, so lange wir auf deutschem Gebiet wären. Ich wußte, daß die Deutschen in jenen Tagen verhungerten. Ich sagte: „Mir soll es wie ihnen gehen: Weder schlafen, noch essen, noch trinken.“ Ich stand dort mit meinen Päckchen mit Flugblättern darin, Zigarettenpäckchen, Päckchen von diesem, Päckchen von jenem. Den ganzen Weg über konnte ich davon entlang der Zugstrecke so viele verteilen, wie ich wollte. Ich sah ein junges Pärchen ein Zigarettenpäckchen aufheben. „Zigaretten“, sagten sie. „Zigaretten.“ Gut. Sie hoben es auf. Ich dachte mir: „Sie werden es öffnen und darin meine Flugblätter finden. Gut.“ Und so machte ich weiter. Die ganze Nacht hindurch. Die ganze Nacht.

In der Nacht, mitten in der Nacht, in Duisburg – ich werde das niemals vergessen –, hatte ich keine weiteren Päckchen mehr zum verteilen, außer einem Paket Butter, das ich für Aachen aufhob. Ich steckte so viele Flugblätter wie ich konnte in meinen isländischen Mantel und warf den Mantel auf den Bahnsteig. Irgendein Bahnangestellter hob ihn auf. Vielmehr zwei Bahnangestellte. Sie kamen ins Abteil. Es war stockdunkel. Alle schliefen. Ich war allein im Gang.

Sie fragten mich: „Sprechen Sie Deutsch?“ Ich sagte: „Ja.“ „Haben Sie uns diesen Mantel zukommen lassen?“ Ich sagte: „Ja. Es ist ein guter Mantel; es ist ein isländischer Mantel.“ „Ja“, sagten sie. „Aber es befinden sich gefährliche Dokumente darin. Wissen Sie von diesen Dokumenten?“ Ich sagte: „Ja, natürlich weiß ich davon. Ich habe sie geschrieben.“ „Also wissen Sie, was Sie tun?“ Ich sagte: „Ja, ich weiß, was ich tue.“ „Und warum tun Sie es dann?“ Ich sagte: „Ich tue es, weil ich wenigstens die letzten zwanzig Jahre hindurch Adolf Hitler verehrt und sein Volk geliebt habe, weil es sein Volk ist.“

Und ich erwartete, daß sie sagen würden: „Gut, Sie sind festgenommen. Kommen Sie mit.“ Das war meine Erwartung. Aber statt dessen streckte mir einer von ihnen mit Tränen in den Augen die Hand entgegen und sagte: „Wir danken Ihnen im Namen ganz Deutschlands.“ Und ich war so berührt. Es ist einer der großartigsten Tage oder der großartigsten Nächte meines Lebens gewesen, zusammen mit der Nacht auf der Hekla. Ich freute mich so. Er sagte: „Aber beim nächsten Mal schmeißen Sie Ihren Mantel nicht hinaus, wo viele Leute sind. Werfen Sie ihn am Bahnhof hinaus, wenn niemand wartet und der Zug weiterfährt.“ Das habe ich getan.

Wir erreichten Aachen. Dort gab ich mein letztes Päckchen weg, etwas Butter. Ein Mann nahm es und fuhr mit einem Fahrrad weg. In der Ferne sah ich ein Haus, das nicht länger ein Haus war, sondern nur noch ein Keller. Vor dem Kellereingang standen zwei Teller und zwei Katzen, von der jede von einem Teller fraß. Ich sagte: „Weiter so, deutsches Volk. Ihr hungert selbst und denkt trotzdem noch an die armen Katzen.“ Ich wünschte ihnen alles Gute.

Und dann dachte ich an etwas anderes. Ich dachte: „Du liebe Zeit, fünfhundert Leute von Flensburg bis Aachen haben meine Flugblätter genommen. Sie hätten einen guten Lohn oder etwas Geld haben können. Sie hätten Milch für ihre Kinder für acht Tage haben können, wären sie zur Polizei gegangen und hätten gesagt: ‚Diese Dinge fallen aus den Fenstern des Nordexpreß.’ Und ich wäre festgenommen worden. Und nicht einer von ihnen hat es getan. Heil dir, meines Führers Volk! Ich werde wiederkommen.“

Und dann erreichten wir am 16. Juni wieder England. Und mir gelang es, zurückzukommen. Aber wie sollte ich zurückkommen? Wie zurückkommen? Ich hatte keinen militärischen Passierschein und es dauerte sechs Monate, einen zu bekommen und sie wollten mir keinen geben. England wollte mir keinen geben. Ich versuchte, einen militärischen Passierschein zu bekommen. Ich bekam nie einen.

Also bereitete ich eines Tages einige Flugblätter vor, ließ sie in England von einem Osteuropäer drucken, der mehr oder weniger auf unserer Seite war.4 [4]Und ich kam nach Paris. Und in Paris rief ich Georgette Soustelle an, die Ehefrau von Herrn Soustelle5 [5], der rechten Hand von de Gaulle. Sie war mit mir zur Schule gegangen.

Sie war ziemlich überrascht. „Du bist in Europa? Ich dachte, du wärst in Indien.“ Ich sagte: „Ja, ich war in Indien. Jetzt bin ich in Europa.“ „Und was willst du?“ Ich sagte: „Ich würde gern nach Deutschland gehen.“ „Weswegen willst du nach Deutschland gehen?“ „Nur, um ein Buch zu schreiben, eine Art Reportage. Ich habe genug davon, über das Altertum zu schreiben. Ich will über etwas anderes schreiben. Kann mir dein Mann eine Erlaubnis verschaffen? Ich kann keine England bekommen.“ Sie sagte: „Gut, wir werden dir eine Erlaubnis besorgen. Wo liegt das Problem? Was hast du eigentlich während des Krieges gemacht?“

Ich sagte: „Während des Krieges habe ich Katzen in Kalkutta gefüttert. Ich habe Katzen schon immer geliebt.“ „Alles klar“, sagte sie, „du warst schon immer eine Katzennärrin, das weiß ich. Du hast also Katzen in Kalkutta gefüttert.“ Ich sagte: „Ja“. Ich sagte: „Was sonst hätte ich deiner Meinung nach tun sollen? Ich konnte nichts tun. Ich konnte nicht Widerstand leisten wie ihr, vor allem, weil ich so weit weg war.“ „Ach so, ich verstehe, gut, gut, gut.“ Und so hatte ich zwei Tage später meine Erlaubnis.

Am nächsten Tag, dem 11. September 1948, saß ich im Zug: Saarbrücken und dann Deutschland. Und ich betrat Deutschland von neuem über Saarbrücken, diesmal mit elftausend Flugblättern und Plakaten zum aufhängen. Mit großem Glück kam ich durch den Zoll in Saarbrücken, aber sie waren in Büchern und Modezeitschriften versteckt und ich machte mit dieser Arbeit weiter. Ich hatte kein Geld, nur meinen Schmuck. Ich pflegte etwas Schmuck zu verkaufen, etwas Geld zu bekommen und schlief vorzugsweise in den Warteräumen der Bahnhöfe, um kein Geld für Hotelzimmer ausgeben zu müssen.