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ATRO – Chapter 1, section 4 (German)

4. Ausbildung

Also die erste Prüfung meines Lebens bestand ich 1917 und die zweite und dritte 1921. 1922 und ’23 hatte ich weitere Prüfungen. Am 9. August 1923 kam ich zum ersten Mal nach Griechenland und am 5. Dezember 1923 verließ ich Griechenland wieder. Ab Januar 1924 besuchte ich die Universität von Lyon. Meine Eltern lebten dort. Am 25. Juni 1924 bestand ich meine erste Prüfung – in Psychologie. Am 2. März 1925 bestand ich meine zweite Prüfung – in Logik.1 [1] Herr Goblot war mein Lehrer.2 [2] Meine dritte Prüfung, in Ethik und Soziologie, bestand ich am 25. Juni 1925. Während dieser Prüfung wurde ich zur Idee des Fortschritts befragt und ich antwortete genauso wie ich auch heute noch antworten würde. Es war eine hervorragende Prüfung, ich bekam achtzehn von zwanzig möglichen Punkten. Niemand bekommt im geisteswissenschaftlichen Bereich jemals achtzehn von zwanzig Punkten. Natürlich bekommt man so was in Naturwissenschaften. Kein Thema bei Mathematik. Aber in den Geisteswissenschaften kriegt man so was nie. Meine anderen Prüfungen bestand ich mit vierzehn, fünfzehn Punkten, aber niemals mit achtzehn. Das war eine wirklich gute. 1928 hatte ich noch eine Prüfung, meine letzte Prüfung an der Universität für den M.A. Für den M.A., license ès lettre, muß man vier Prüfungen ablegen.

Dann  begann ich an meinem Doktorat zu arbeiten. Zum Promovieren – sie nennen es Habilitation, ein Doktorat, das einem, wenn man französischer Staatsangehöriger ist, das Recht gibt, an einer französischen Universität zu lehren – muß man zwei Bücher schreiben und zwar ziemlich dicke. 1928 ging ich zur Vorbereitung meiner thèse complementaire, meiner Doktorarbeit nach Griechenland. Das heißt, ich fing mit der zweiten an, die die einfachere war. Nun, vielleicht nicht die einfachere, aber die kürzere.

Ich schrieb einen Aufsatz über Theophilos Kaïris3 [3] mit vielleicht dreihundert Seiten. Theophilos Kaïris war ein Grieche, der 1784 geboren wurde und 1853 im Gefängnis starb, weil er nicht im Einklang mit der orthodoxen Kirche stand. Eigentlicher Gegenstand meiner These war weniger die Person Kaïris’, als vielmehr die Haltung der heutigen Griechen. Die heutigen Griechen verdammten Kaïris dafür, daß er die orthodoxe Kirche nicht anerkannte, die die nationale Kirche war. Die alten Griechen verdammten Sokrates, weil er nicht an die Götter glaubte, an die man in der Stadt glaubte. „Er ist Athener. Er sollte an die Götter Athens glauben. Tut er nicht? Nun, raus mit ihm. Gift soll er trinken, der Schierling.“ Ich sagte: „Da haben wir dieselbe Mentalität.“ Und um die Ähnlichkeit der Mentalität der heutigen und der alten Griechen aufzuzeigen, die die Religion zu einer rein staatlichen Angelegenheit machten, schrieb ich diese Arbeit.

Ich bereiste Griechenland ausgiebig. Allein, zu Fuß und zu Pferde, erkundete ich die ganze Peloponnes. Und im November ’29 kam ich zurück, hatte meine zweite Arbeit bereits fertig. Sie war aber noch nicht gedruckt. Ich mußte mich an die erste Arbeit machen. Das Thema dieser ersten war: Was ist mathematische Simplizität? Oder wissenschaftliche  Simplizität im Allgemeinen. Ich fing an, über die Simplizität der Wissenschaft im Allgemeinen zu schreiben und dachte mir, daß ich, um so etwas schreiben zu können, bruchstückhafte Kenntnisse einer naturwissenschaftlichen Ausbildung benötigen würde, andernfalls würde ich nichts tun können. Das Thema war mir von meinem Universitätslehrer, Herrn Goblot, Edmond Goblot, einem der großartigsten Lehrer Frankreichs, einem der größten Logiker überhaupt, gegeben worden. Also kam ich ’29 nach Frankreich zurück und besuchte die naturwissenschaftliche Fakultät. Dort machte ich im Juli ’30 eine Prüfung in Physik/Chemie, im November ’30 in allgemeiner Chemie, im Juli ’31 in Mineralogie, in Biochemie im Juli ’31. Wenn man will ist das ein kompletter L.Sc., license ès sciences, in Physik/Chemie. Den habe ich ’30-’31 bekommen. Dann setzte ich mich an meine größere Doktorarbeit.

Doch in der Zwischenzeit starb Herr Goblot. Herr Étienne Souriau4 [4] lehrte nun an der Sorbonne. Und er sagte: „Schreiben Sie nicht über simplicité des sciences, Simplizität in der Wissenschaft. Das würde viel zu lang werden. Beschränken Sie sich auf simplicité mathématique, mathematische Simplizität, das Wesentliche dieser. Analysieren sie das.“ Und das nahm dann auch fünfhundert oder mehr Seiten in Anspruch. Und er sagte mir, daß ich einen Teil meiner Doktorarbeit über die mathematischen Theorien des Herrn Brunschvicg5 [5] schreiben solle. Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, über Herrn Brunschvicg überhaupt etwas zu schreiben, aber mein Lehrer bestand darauf, also mußte ich es tun. Es ging eh nur um Mathematik. Es ging um nichts anderes.

Meine Hauptdoktorarbeit war 1934 fertig und wurde zusammen mit meiner anderen Arbeit auf Kosten meiner Eltern gedruckt.6 [6] In der Zwischenzeit ging ich 1932 nach Indien. Die Arbeiten wurden in meiner Abwesenheit gedruckt und Exemplare mir zugeschickt. Und dann kam ich nur für die soutenance de thèse7 [7] zurück. Das bedeutet, daß man mit sechs Professoren eine Diskussion über das Thema führen muß. Anwesend waren ein Mathematikprofessor, ein Griechischprofessor und vier Logikprofessoren aus verschiedenen Bereichen der Philosophie und die soutenance de thèse fand am 1. April 1935 in Lyon statt.